Die Musik von Christoph Graupner, obwohl vor fast 300 Jahren geschrieben, können wir uns heute ganz selbstverständlich im Konzert oder von Konserve anhören. Dabei ist dies überhaupt nicht so einfach und leicht, wie der Kauf einer Eintrittskarte oder der Erwerb einer CD dies suggerieren mag. Natürlich wissen wir, mit welchem Glück wir gesegnet sind, dass die Autographen von Christoph Graupner im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen so gut wie komplett erhalten sind. Was wir aber nicht haben, ist ein authentischer Klang und eine zeitgenössische Interpretation seiner Werke.
Wenn wir heute im Radio, Konzert oder auf andere Art und Weise Musik der Letztgenannten als Hörer vernehmen, so gibt uns unser musikalisches Gedächtnis gleich einen Hinweis auf den Komponisten, es klingt wie Bach oder Mozart, unabhängig von der Interpretation oder sogar der Bearbeitung und Verfälschung. Bei Graupner findet dies, obwohl es auch von seiner Musik mittlerweile über 100 CDs zu kaufen gibt, sehr wahrscheinlich nicht statt. Zu selten wird Graupner bis heute gespielt. Dadurch bleibt Graupner meist ein neues und auch überraschendes Klangerlebnis.
Interpreten sind aber auch genau mit diesem Zustand konfrontiert: von den über 1.400 erhaltenen Kantaten sind auf Musikträger bisher erst 71 eingespielt. Sie können sich also beim Erarbeiten einer Kantate nicht an Aufnahmen anderer Kollegen orientieren. Deshalb war für mich der Besuch einer CD-Aufnahme mit Kantaten von Christoph Graupner doppelt spannend. Als Hörer ist es immer wieder ein besonderes Erlebnis die „Geburt“ einer Aufnahme mitzuerleben.
In der Katholischen Kirche Heilig Kreuz in Binningen (Basel, CH) studierte am 7.-9. Mai 2018 das Capricornus Consort Basel unter der Leitung von Peter Barczi und der Sopranistin Miriam Feuersinger und dem Countertenor Franz Vitzhum Kantaten von Christoph Graupner zum ersten Mal seit über 250 Jahren ein und erfassten dies mit moderner Technik für eine CD-Ausgabe beim Label Christophorus. Erscheinungstermin vermutlich September 2018.
Abbildung: Miriam Feuersinger (Sopran), Franz Vitzhum (Countertenor) und das Capricornus Consort Basel
unter der Leitung von Peter Barczi am Probentermin 9.5.2018
Die 1896 eingeweihte Kirche bot einen akustisch hervorragenden Raum. Die Instrumentalisten und Solisten waren im vorderen Teil des Chorraumes platziert, der Aufnahmeleiter saß in der Sakristei. Und es wurde nicht nur nach einer technisch einwandfreien Version einer Arie gesucht, sondern diese entstand bei einer Länge von ca. 3 Minuten innerhalb einer Stunde durch mehrere Wiederholungen neu. Das Feilen am Klang, an der Interpretation, an der Dichte des Zusammenspiels, der Ausgestaltung einer Stimme, den Möglichkeiten einzelner Instrumente lies diese acht Menschen sehr intensiv miteinander agieren, kommunizieren und leben. Jeder brachte seinen Teil aktiv ein und alle wurden gehört, nur manchmal gab die Stimme des Tonmeisters aus dem „Off“ eines Lautsprechers das letztendliche Okay für die Aufnahme. Dies miterleben zu können macht Spaß, Graupner präg sich dadurch noch anders in das Gedächtnis ein. Und der Gedanke, wie er und seine damaligen Instrumentalisten und Solisten dieses Werk in der Kapelle des Darmstädter Schlosses wohl unter zeitlich engeren Möglichkeiten geprobt und aufgeführt haben, lässt sich solchen Aufnahmesituation als eine Zeitreise erleben. Auch hier wieder der Eindruck, dass sich die Musik von Christoph Graupner auch heute noch lohnt, gehört zu werden, eine Bereicherung der Klangwelten.
Veröffentlichung: 14. Mai 2018
Quelle: Richard Weber-Laux